JOHANNES HENTRICH: HYPERMEDIA DESIGN. GESTALTUNG VON HYPERMEDIA-SYSTEMEN. SCHÖNBERG: VERLAG DER HAESSLER INFORMATION 1998.

PETER GLOOR: ELEMENTS OF HYPERMEDIA DESIGN. TECHNIQUES FOR NAVIGATION & VISUALIZATION IN CYBERSPACE. BOSTON U.A.: BIRKHÄUSER 1997.

Hypermedia ist die Integration von Hypertext und Multimedia. Hypertexte sind nicht-lineare Texte, die im Gegensatz zur traditionellen Buchform nicht von Anfang bis Ende zu lesen sind, sondern bei denen einzelne Textsegmente durch Querverweise, sogenannte Hyperlinks, miteinander verbunden sind. Hier liegt auch die maßgebliche Schwierigkeit im Umgang mit Hypertexten: Sie erscheinen als Textnetzwerke, deren komplexe Struktur sich dem Leser nur schwer oder gar nicht erschließt. Orientierung und Navigation in Hypertext-Systemen gestalten sich entsprechend schwierig. Die Formulierung »Lost in Hyperspace« beschreibt diesen Effekt: Beim Umgang mit einem Hypertext-System verliert man leicht die Orientierung, kann den Weg zu einem bestimmten Textsegment nicht mehr nachvollziehen, befindet sich in einer Sackgasse, ist sich nicht sicher, wieviel an Information man gelesen und wieviel man übersehen hat. Man befindet sich in der gleichen Situation wie der Tourist in einer Großstadt, der seinen Stadtplan verloren hat. Bei der Gestaltung von Hypertext-Systemen kommt es folglich nicht allein darauf an, die technischen Schwierigkeiten zu meistern. Für die Qualität des Systems ist vor allem ein durchdachtes Gestaltungskonzept ausschlaggebend. Was nutzt schon die interessanteste Information, wenn der Weg zu ihr durch einen Irrgarten führt?

Multimedia-Systeme integrieren unterschiedliche mediale Präsentationsformen wie Text, Graphik, Film und Audio. Der Vorteil multimedialer Präsentation liegt in der Kombination der Stärken der einzelnen Modalitäten. So kann mittels einer Graphik ein komplexer Sachverhalt schnell und intuitiv übermittelt werden. Ein die Graphik erklärender Text kann Mißverständnissen in der Interpretation der Graphik vorbeugen und den Sachverhalt einer tiefergehenden Analyse unterziehen. Auch bei der Gestaltung von Multimedia-Anwendungen muß der Fokus folglich über die rein technische Problematik der Datenheterogenität hin zur konzeptionellen erweitert werden. Die Inhalte müssen in geeigneten Modalitäten, bzw. in einer geeigneten Kombination von Modalitäten transportiert werden.

Hypermedia-Systeme schließlich stellen eine Kombination dieser beiden Konzepte dar. Entsprechend addieren sich die technischen und konzeptionellen Schwierigkeiten bei der Gestaltung eines Hypermedia-Systems. Typische Hypermedia-Anwendungen finden sich im Internet. Auch wenn Internet-Sites in der Regel einfach strukturierte Hypertexte mit einigen aufgesetzten Graphiken sind, gibt es doch einige Sites, die verschiedene mediale Komponenten integrativ in ihre Gestaltung einfließen lassen. Die Bücher Elements of Hypermedia Design. Techniques for Navigation & Visualization in Cyberspace von Peter Gloor und Hypermedia-Design. Gestaltung von Hypermedia-Systemen von Johannes Hentrich widmen sich dem Design von Hypermedia-Systemen.

Hentrich teilt sein Buch in drei Bereiche auf. Im ersten Teil Der Weg in den Cyberspace beschreibt er grundlegende Methoden und Techniken der Gestaltung von Hypermedia-Systemen. Er grenzt zunächst den Computer als Kommunikationsmedium von klassischen Medien wie Büchern und Filmen ab und nähert sich dem Thema auf verschiedenen Ebenen. Er umreißt einerseits Konzepte der Interfacegestaltung, wie Prinzipien der Navigation, Direktmanipulation, Feedback, WYSIWYG (what you see is what you get) oder der Verwendung von Metaphern. Andererseits geht er auf konkreter Ebene zum Beispiel auf die typographische Gestaltung und die praktische Bearbeitung von Bildern ein. Dabei versucht er, möglichst umfassend sämtliche Aspekte der Hypermedia-Gestaltung zu beschreiben. Auf konkreter Ebene gibt Hentrich zahlreiche Tips zur besseren Gestaltung, wie z.B. der sparsame Einsatz von Farben. Eine solche Tipsammlung hilft gut, die üblichen gröbsten Fehler bei der Gestaltung von Internet-Seiten zu vermeiden.

Auf konzeptueller Ebene jedoch ist seine Darstellung zu kurz. Zwar erwähnt er die wichtigsten Konzepte, jedoch beschreibt er sie zu knapp, als daß sie verständlich erscheinen. So widmet er der Verwendung von Metaphern nur eine Seite. Er sieht in ihnen völlig zu Recht eine gute Möglichkeit der Interface-Gestaltung, die jedoch auch ihre Gefahren mit sich bringt. Seine Ausführungen hätten hier durch ein paar Beispiele veranschaulicht werden können - sei es durch das altbekannte Beispiel des Mülleimers des Apple Macintosh, der neben dem Löschen von Daten auch zum Auswurf der Diskette verwendet wird, oder durch die im Rahmen von Hypertext-Systemen wohl erwähnenswerte Buchmetapher, die ursprünglich die Navigation erleichtern sollte, allerdings schon bei Systemen mit wenigen Dutzend Seiten nicht mehr sinnvoll durchgehalten werden kann.

Der zweite Teil Online-Hilfen erstaunt etwas, handelt es sich hierbei doch um klassische Hypertext- und nicht Hypermedia-Systeme. Allerdings macht eine solche Darstellung durchaus Sinn, wenn man Hypertext als grundlegende Struktur für Hypermedia sieht, die im Nachhinein um Bilder und Töne erweitert wird. (Jedoch gibt die Gestaltung des Buchumschlags mittels HTML-artiger Tags einen eindeutigen Hinweis auf die Anwendungsdomäne Internet.) Online-Hilfen sind in der Tat ein gutes Beispiel für die Kernproblematik der Konzeption von Hypertexten. Anders als bei üblichen Internet-Präsentationen navigiert der Anwender hier nicht von einem Textsegment zum anderen und verfolgt dabei ihm interessant erscheinende Links, sondern er benötigt rasch Hilfe zu einem konkreten Punkt. Hentrich beschreibt die verschiedenen Erfahrungshorizonte der Anwender, die verschiedenen Formen von benötigter Information und wie diese präsentiert wird.

Im dritten Teil Web Site Design schließlich führt Hentrich in die Gestaltung von Web-Sites ein. Er beschreibt die verschiedenen Formen von Web-Sites und kritische Punkte wie Browser-Kompatibilität und Performanz. Schließlich bringt er einen Überblick über die Realisierungsschritte einer Internet-Site von der Konzeptionierung bis hin zur Pflege.

Teil zwei und drei von Hentrichs Buch Hypermedia-Design sind überblicksartige Einführungen in zwei Beispieldomänen. Er beschreibt darin die Realisierungprozesse dieser Anwendungsfälle. Konzeptionelle Methoden und Tips zur gestalterischen Umsetzung finden sich im ersten Teil. Hier findet sich auch ein Kapitel zur Navigation, die, wie schon erwähnt, der entscheidende Punkt der Gestaltung ist. Hentrich bezieht sich bei der Beschreibung der Elemente der Navigation bzw. Strukturierung auf das Buch Elements of Hypermedia Design von Peter Gloor.

Gloor differenziert bei der Erstellung von Hypermedia-Systemen zwischen den Bereichen Struktur, Inhalt, und Präsentation, die in die Implementation eingehen. Er beginnt im ersten Teil Structuring Information mit strukturellen Aspekten des Hypermedia Design. Dabei führt er zunächst überblicksartig in Information Retrieval, Benutzermodellierung und World Wide Web ein und fährt dann mit einer ausführlichen Beschreibung der sieben Designkonzepte zur Navigation in Hyperstrukturen fort, die auch von Hentrich wieder aufgegriffen werden. Gloors Ausführungen sind jedoch deutlich tiefgreifender und werden durch eine Reihe praktischer Anwendungen in Teil zwei Cyber Tool Box ergänzt.

Der dritte Teil Visualization erstaunt wieder etwas. Visualisierung ist zwar zweifelsohne ein gutes Mittel, um beispielsweise die Orientierung in Hypertextsystemen zu erleichtern wie Gloor in Kapitel Cyber Tool Box korrekt erwähnt. Gloor jedoch verwendet Visualisierung nun als Beispielanwendung zum Design von Lernsoftware. Er beschreibt ein Hypermedia-System, welches basierend auf einem Lehrbuch zu Algorithmen dieses um Hypertext und Animation erweitert. Hier demonstriert Gloor beispielhaft, wie eine komplexe Thematik in Form eines Hypermedia-Systems präsentiert werden kann. Es stellt sich jedoch die Frage, weshalb Gloor seinen Lesern eine solch komplexe Materie wie animierte Algorithmen als Beispielanwendung antut. Zwar kann er so die Umsetzungsmöglichkeiten auch einer komplexen Thematik veranschaulichen, jedoch muß sich der Leser erst mühsam in diese Thematik einarbeiten.

Im vierten Teil Multimedia Editing beschreibt Gloor das Editieren multimedialer Systeme mit Hilfe des Systems VideoScheme. VideoScheme erlaubt das Editieren multimedialer Applikationen sowohl mittels einer direktmanipulativen graphischen Oberfläche als auch mittels der um multimediale Elemente erweiterten funktionalen Programmiersprache Scheme. Diese Zweigleisigkeit erlaubt es sowohl dem Anfänger als auch dem Profi ihrem technischen Wissen entsprechende Anwendungen zu erstellen. Da jedoch in Europa der Apple Macintosh weit weniger verbreitet ist als in Amerika, wäre für den hiesigen Markt die Beschreibung eines PC-basierten Systems angebrachter.

Abschließend beschreibt Gloor im fünften Teil Hypermedia Publishing anhand der CD-ROM der DAGS (Darthmouth Institute for Advanced Graduate Studies) 1992 conference proceedings sowie den Internet-Seiten der DAGS'95 den Publikationsprozeß eines Hypermedia-Systems.

Es wurde oben festgestellt, daß die Kernproblematik bei der Konzeption von Hypermedia-Systemen in der Orientierung und Navigation innerhalb des Systems sowie der Integration verschiedener Modalitäten liegt. Beide Autoren gehen in ihrer Behandlung der Navigationsproblematik den gleichen Weg und beschreiben sieben Designkonzepte der Navigation: Links, Suche, Sequenzierung, Hierarchie, Ähnlichkeit, Karten, Agenten. Links sind das Grundelement der Navigation in Hypertexten und stellen eine Verbindung zwischen den einzelnen Seiten her. Ihre Hauptformen sind Seitenlinks, die ähnlich dem Umblättern in einem Buch logisch aufeinanderfolgende Seiten verbinden, und hierarchische Links, die ähnlich dem Sprung vom Inhaltsverzeichnis zu einzelnen Kapiteln hierarchische Ebenen verknüpfen. Innerhalb einer Hierarchie verläuft die grundlegende Verlinkung also zwischen den Hierarchieebenen einerseits und sequenziell entlang einer Hierarchieebene andererseits. Links, die eine Verbindung zweier Seiten ohne Rücksicht auf ihre hierarchische Einordnung herstellen, basieren in der Regel auf Ähnlichkeiten, die zwischen Teilen der verknüpften Dokumenten bestehen.

Eine hierarchische Gliederung des Hypertextes erleichtert das Navigieren über Links. Jedoch werden Hierarchien bei größeren Datenmengen schnell unübersichtlich. Es ist dann nicht mehr klar nachvollziehbar, welchem Oberpunkt ein gesuchter Unterpunkt zugeordnet ist. Oftmals muß ein Unterpunkt auch mehreren Oberpunkten zugeordnet werden. So ist beispielsweise bei großen Internet-Portalen wie Dino-online die Unterklassifizierung von Informationen zu »Joggen« je nach gesuchtem Aspekt zu den Oberbegriffen »Gesundheit« und »Sport« sinnvoll. Je größer eine Hierarchie wird, desto schwieriger wird auch das Auffinden bestimmter Informationen in ihr.

Hier setzt als Alternative zum Browsen über Links die direkte Suche an. Obwohl beide Autoren auf das Konzept der Suche eingehen, und Gloor sein Buch sogar mit einem eigenen Kapitel über Information Retrieval beginnt, kommt die Bedeutung der Suche als Alternative zum Browsen bei beiden Autoren zu kurz. Sie wird eher als nette Zusatzfunktion denn als elementarer Bestandteil eines Hypertext-Systems beschrieben. Tatsächlich ist die Suche gerade bei größeren Datenmengen unabdingbar. Sie ist nicht nur ein Mittel, dem eiligen Informationssuchenden den direkten Sprung zu einer Seite zu ermöglichen, sondern ermöglicht auch die Reduzierung der vorhandenen Informationsmenge auf ein Maß, welches durch Browsen sinnvoll erkundet werden kann. Diesen filternden Effekt der Suche erkennen die beiden Autoren jedoch nicht. Auf der Basis einer Informationsfilterung können zum Beispiel auch Karten, die ähnlich einer Landkarte einen Überblick über den Informationsraum geben, auf die Elemente reduziert werden, die noch sinnvoll auf dem Bildschirm dargestellt werden können. Solche Karten geben dem Anwender Hinweise darauf, wo er sich gerade im Hypertext befindet und welche Punkte er bereits eingesehen hat. Ferner erlauben sie den direkten Sprung zu bestimmten Seiten.

Neben Überblickskarten bietet die Sequenzialisierung in Form von Guided Tours eine Möglichkeit, den Anwender sicher durch die Informationsflut zu geleiten. Hier werden spezielle Wege vorgegeben an denen sich der Anwender gleich einem roten Faden orientieren kann.

Eine andere Möglichkeit der Unterstützung des Anwenders ist der Einsatz sogenannter Agenten. Dies sind Programme, die selbständig oder in Zusammenarbeit mit dem Anwender nach Informationen im Internet suchen oder den Anwender bei der Arbeit mit dem Computer unterstützen, im Falle von Hypertext-Systemen den Anwender also bei der Navigation unterstützen. Doch gerade im Bereich der Agenten ist die praktische Umsetzung schwer. Zum einen müssen in einen Agenten, der flexibel auf den Anwender reagieren kann, komplexe intelligente Komponenten eingebaut werden, zum anderen ist die Human-Computer Interaction (HCI) Forschung im Bereich der Agenten noch nicht ausgereift und bringt zum Teil recht kuriose Vorschläge. Einigkeit herrscht allein darin, daß Agenten dem Anwender schnell lästig werden.

Die HCI-Forschung beschreibt ferner den Bereich der adaptiven, also benutzer- und situationsspezifisch erzeugten Hypertexte, den beide Autoren vernachlässigen. Sind Hypertext-Systeme adaptiv gestaltet, so können sie sich auf das Vorwissen des Anwenders einstellen und die Anzeige auf ihm unbekannte Informationen beschränken. Grundlage adaptiver Systeme ist eine vorherige Befragung des Benutzers über Interessen und Kenntnisse oder aber die systematische Mitschrift der bereits angezeigten Information. Adaptive System haben allerdings ähnlich der Agenten den Nachteil einer ausgesprochen aufwendigen Realisierung.

Während Gloor die Konzepte der Orientierung und Navigation tiefgreifend und mit Beispielen beschreibt, bringt Hentrich weitgehend eine Zusammenfassung der Thesen Gloors. Hier wird der generelle Unterschied beider Werke deutlich: Gloors Ausführungen konzentrieren sich auf einige technisch wie konzeptuell detailliert beschriebene Punkte, während Hentrich eher dazu neigt, möglichst breit die Aspekte des Hypermedia-Design zu beschreiben. So beschreibt Hentrich zum Beispiel auch generelle Prinzipien des Interface Design wie Konsistenz, Metaphern, Feedback u.a., die anwenderfreundliche Benutzungsoberflächen zu gestalten helfen. Gloor läßt diese Punkte leider aus.

Im Bereich der multimedialen Integration geht Gloor ebenfalls weiter als Hentrich und zeigt, wie der Einsatz verschiedener Medien hochgradig integrativ und komplementär angelegt werden kann. Ein solcher Einsatz empfiehlt sich aufgrund des hohen Datenvolumens eher für die Konzeption von CD-ROMs als für Internet-Applikationen. Hentrich hingegen setzt vor allem auf illustrierende Bilder, wie sie in Internet-Sites inzwischen üblich sind. Animation, Video und Audio werden bei ihm nur kurz angesprochen.

Beide Autoren liefern zahlreiche Internet-Links mit Beispielen, ein Glossar, einen Index sowie ausführliche bei Hentrich sogar kommentierte Literaturangaben. Hentrich stellt zusätzlich eine Internet-Adresse zum Buch zur Verfügung: www.hypermediadesign.de. Als Fazit läßt sich feststellen, daß Hentrichs Buch als Einstieg in die Materie einen guten Überblick verschafft. Aufgrund der technischen Tiefe eignet sich Gloors Buch eher für den Fortgeschrittenen.

Maximilian Eibl (Bonn)

Dr. Maximilian Eibl
GESIS Außenstelle
Am Schiffbauerdamm 19
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eibl@berlin.iz-soz.de

(3. Juli 2000)